G. Groschopp

Kläranlagen und die Folgen für das Land Brandenburg

Eine Betrachtung

Das Institut für Umweltschutz stellte 1990 fest, dass in den neuen Bundesländern der angespannteste Wasserhaushalt Europas herrscht. Das erfordert in den kommenden Jahren eine effektive Wassernutzung und eine geordnete Abwasserentsorgung.

In der Abwasserentsorgung hatten sich die Verantwortlichen zu DDR-Zeiten meist nur auf die Großstädte konzentriert. In Kleinstädten oder auf dem Lande gab es oft keine und wenn doch, dann nur eine unzureichende Abwasserentsorgung, was sich letztlich im Anschlussgrad der Einwohner an eine Kanalisation oder Klärwerk widerspiegelt. In den dünn besiedelten Gebieten bestand der größte Nachholbedarf. Der Anschlussgrad im Land Brandenburg betrug 1992 54 % und hinsichtlich der vier Kategorien der Reinigung gab es im gesamten ehemaligen Bezirk Frankfurt/Oder bzw. Ostbrandenburg nur ein Klärwerk, dass mit einer vollbiologisch/chemischen Reinigung arbeitete.

Nun waren also die Kommunen gefordert, denn nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland entscheiden sie selbst über ihre Wasser- und Abwasserentsorgung, nur die Grenzwerte für die Einleitung in die Oberflächengewässer sind vorgeschrieben. Und sie stehen etwas im Zeitdruck in ihrer Verantwortung und dies nicht nur hinsichtlich anstehender Gewerbe- und Wohnansiedlungen, sondern auch seitens des Gesetzes. Sie mussten ebenfalls entscheiden, ob und wie vorhandene Strukturen aufgelöst, weitergenutzt oder verändert werden.

Ein Blick zurück zeigt: Entsprechend der Aufteilung in 15 Bezirke, erfolgte in der DDR die Wasserver- und Abwasserentsorgung mit 15 VEB WAB ( Wasserver- und Abwasserentsorgungsbetriebe), die direkt dem Ministerium für Umwelt und Wasserwirtschaft unterstellt waren. Die Wab’s gliederten sich in Bezirks- und Bereichsdirektionen, die sich heute praktisch im Eigentum der Kommunen befinden, aber völlig neuen Strukturen unterliegen.

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Aber was passiert?

Nach der Wende fanden sich, wie überall in Neufünfland, so auch im Land Brandenburg genügend Geschäftemacher ein, die den Gemeinden ein Abwassernetz versprachen. Die Notwendigkeit ist Tatsache, verursachten die vorhandenen Anlagen doch erhebliche Instandhaltungskosten und nicht nur das. Somit meinten die Kommunen sowie die vielen Planer und Ingenieurbüros, die durchs Ländle eilten und ihre Ware „Kläranlage“ feilboten, sei es nur recht und billig, wenn nun endlich das Abwasser richtig geklärt werde.

Die meisten Kommunen bildeten alsbald Abwasserzweckverbände (nach der Rechtsform des Zweckverbandes bestehende Selbstverwaltungskörperschaft aus dem Zusammenschluss mehrerer Gemeinden mit der Aufgabe der gemeinsamen Abwasserableitung und -behandlung). Die allerdings arbeiten unwirtschaftlich und das nicht nur wegen mehr Verwaltung. Es entstanden im Land Brandenburg etwa 106 Zweckverbände und mit Hilfe der Planungsbüros aus den Altbundesländern schöne große, überdimensionierte und damit unrentable Anlagen. Die Brandenburger Gemeinderäte träumten von Gewerbegebieten und vielen Arbeitsplätzen für die gebührenzahlenden Bürger. Fördergelder für die Infrastruktur flossen reichlich. Nur, der Traum vom Steuerschlaraffenland stellte sich nicht ein. Der erhoffte und prognostizierte Aufschwung durch Gewerbe und Bevölkerungszuwachs blieb weitestgehend aus. Außerdem hatte man „vergessen“, dass sehr viele Betriebe ihre Produktion einstellen mussten und nun weniger Abwasser anfiel.

1995 lagen im Land Brandenburg die Gebühren für einen Kubikmeter Abwasser im Durchschnitt bei 14 DM, doppelt so hoch wie in den Altbundesländern. Ein ansiedlungswilliges Unternehmen musste angesichts dieser Entwicklung seine Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt sehen – viele wählten zur Ansiedlung ein anderes Bundesland. Doch für ein „vernünftiges Maß“ von etwa 5 DM für Wasser sowie 8 DM für Abwasser, hätte sich die Zahl der Zweckverbände auf etwa 40 reduzieren müssen.

Die Differenzen zwischen den verschiedenen Verwaltungs- und Zuständigkeitsbereichen reduzieren nicht die Probleme bei der Entscheidung über eine zentrale oder dezentrale Anlage. Gemäß einer EU-Richtlinie besteht für kleine Orte durchaus kein Anschlusszwang an eine Abwasserreinigungsanlage. Die Euphorie vieler Zweckverbände indes kannte keine Grenzen, und so wurden seit 1991 die meisten Landstriche mit einem dichten Rohrnetz durchzogen, bis auch die letzte der mitunter nur 20 Häuser zählenden Gemeinde ihr Abwasser auf die oft weite Reise zu den Filtern schicken kann. Aber gerade diese langen Leitungen lassen den Preis steigen.

Das alles rief Bürgerinitiativen auf den Plan, selbst Bürgermeister und Amtsdirektoren zum Beispiel des Kreises Barnim fanden sich zu einer Demonstration vor dem Landtag Brandenburgs ein. Die Landesregierung war im Zugzwang. Umweltminister Platzek forderte nun eine flächendeckende Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Zweckverbände, in deren Ergebnis unwirtschaftliche Investitionen gestoppt werden sollten.

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Wild West?

1996 existierten im Landkreis Oberhavel 27 Verbände und Stadtwerke. Landrat Schröter kritisierte, dass jeder Verband eine eigene Geschäftsführung, aber mangelnden Sachverstand besitzt, und selbst kleine Verbände sich fünf bis acht Angestellte leisten. Sein Vorschlag: eine kreisweite Kooperationsgemeinschaft mit einer kompetenten Führung, wodurch vor allem auch die Personalkosten, an den Abwassergebühren (z.Z. 30 %) drastisch gesenkt werden könnten.

Das schöne 1.000-Seelen-Dorf Götz entschied sich für ein bei ländlichen Gegenden ungewöhnliches Klärwerk. Es sollte das Abwasser der Einwohner und das Regenwasser aufnehmen. Die anfänglich prognostizierten Kosten von elf Millionen Mark für Kläranlage und Kanalisation wuchsen ins Unermessliche: Bei 17 Mill. Verhängte der Landrat Baustopp. Geld hatte die Gemeinde nicht – alle Grundstücke waren bereits verkauft. Ohne Kläranlage keine Wohnparks etc. Für 1,2 Millionen Mark sollte sogar das restaurierte Rathaus versteigert werden. Fazit: Götz wurde, zunächst auf vier Monate begrenzt, zwangsverwaltet.

Die zu zahlenden Gebühren führten landauf und landab zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Umweltminister der neuen Länder kamen zu dem Schluss, nun auch auf Kleinkläranlagen als Sanierungselement in der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum unter Beachtung der öffentlichen Abwasserentsorgungspflicht zu orientieren. Ebenfalls könnten Hauskläranlagen für Einzelgehöfte und Gemeinden bis zu 50 Einwohnern Dauerlösungen sein. Diese Vorschläge unterbreiteten auch, aber schon Jahre zuvor, die Bündnisgrünen.

Das nun schon Jahre dauernde Desaster der Abwassergebühren fand auch 1997 kein Ende. Die von der Regierung ausgereichten Fördergelder liegen auf Halde. Nach den Aussagen des Umwelt-Staatssekretärs Speer erfüllen die zum großen Teil hochverschuldeten Abwasserzweckverbände nicht die Kriterien, um die finanzielle Hilfe des Landes in Anspruch nehmen zu können. Es fehlen die Nachweise über Gebühren, entsprechende Preiskalkulationen und Konzepte.

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Abwasser, Abwasser und kein Ende

1997 tickte die Zeitbombe „Abwasser“ für Brandenburg immer noch. Den schwarzen Peter haben die Steuer- bzw. Gebührenzahler. Inzwischen hat die Problematik das Ministerium gewechselt und Innenminister Ziel kündigte im Frühjahr 97 einen Gesetzesentwurf an, der die Verbesserung der Strukturen der Abwasserverbände und eine Kostendämpfung erreichen sollte.

Verfolgt man die ganze Abwassermisere von Beginn an, entsteht eher der Eindruck, dass sich kaum etwas bewegt hat, um die Abwasserzeitbombe zu entschärfen. Nach wie vor sind viele Verbände verschuldet, stehen teilweise vor dem finanziellen Ruin oder ihrer Auflösung. Von 90 Verbänden haben 70 laut Aussage des Innenministeriums Liquiditätshilfe beantragt. Gehörte die Abwasserreinigung nicht zur Pflichtaufgabe der Gemeinden, hätten etwa 20 Verbände schon das Handtuch geworfen.

Die Kreditlasten der teilweise in Millionen verschuldeten Verbände treiben immer mehr Brandenburger Gemeinden in die Zwangsverwaltung. Allein der Trink- und Abwasserzweckverband KMS (Komplex Sanierung Mittlerer Süden) im Landkreis Teltow-Fläming verbaute 350 Millionen DM in Kläranlagen und Abwasserleitungen für 30.400 Menschen. Die ungedeckten Kredite des Verbandes belaufen sich indes auf 180 Millionen Mark. Bei 20 Verbänden ist das Innenministerium mit insgesamt 24 Millionen Mark für Zins- und Tilgungskosten eingesprungen. Das löst sicher wenig Verständnis bei den wenigen Kommunen oder Verbänden aus, die es verstanden, vernünftig zu wirtschaften.

Nun ist es zwar gelungen, den Anschlussgrad der Haushalte an moderne Klärwerke, die jedoch nur zu 20 Prozent (sog. Kläranlagen mit Leistungsreserven) ausgelastet sind (wie in Dürrenhofe/Krugau - Dahme-Spreewald) von 54 auf 62 % zu erhöhen, aber: Die strengen EU-Richtlinien für die Behandlung des Abwassers können trotzdem vielfach nicht erfüllt werden. Davon betroffen sind 11 Städte mit insgesamt 270.000 Einwohnern, zum Beispiel Eberswalde, Bad Freienwalde, Neuruppin, Ludwigsfelde, Nauen, um nur einige zu nennen. Für die Nachrüstung der etwa 13 Klärwerke, die noch immer nicht den Standards entsprechen, rechnet das Umweltministerium mit weiteren 150 Millionen DM.

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Wer kennt die Lösung?

„Wir haben es in der Kürze der Zeit einfach nicht geschafft“ resümierte Umweltminister Platzek dazu im Juni. Sicher, was sich im Lauf von vielleicht 10 Jahren in den alten Bundesländern in diesem Bereich getan hat, sollte nun innerhalb kürzester Frist in den neuen Bundesländern über die Bühne gehen. Das mag ein kleiner Trost sein.

Angesichts der Kostenexplosion im Abwasserbereich erscheinen die früheren Abwasserkombinate in einem günstigen Licht. Der Versorgungsbereich der Bereichsdirektionen wäre hinsichtlich seiner Größe eine gute Grundlage für einen Zweckverband. Es bedarf wohl einer gesonderten Recherche dazu, ob größere Ver- und Entsorgungsstrukturen von Vorteil wären.

Eine strukturelle und organisatorische Neuordnung scheint jedoch hinsichtlich der Zersplitterung von Wasserver- und entsorgung unausweichlich. Konzepte müssen her, die langfristig die Versorgungssicherheit erhöhen und die Kostenentwicklung dämpfen. Dabei dürfte sicher sein, dass bei der momentanen Belastung der öffentlichen Haushalte privates Kapital notwendig ist. Doch darf nicht sofort eine Kostenentlastung erwartet werden.

Mit maßgeschneiderten Konzepten könnten optimale Ergebnisse erzielt werden, um die Kostenexplosion zunächst einmal zu dämpfen und die Wasserwirtschaft technisch und kaufmännisch zu optimieren. Allerdings stehen Landeswassergesetze und geltende Steuerrechtssprechung einer vollständigen Privatisierung der Entsorgungsaufgabe noch im Wege.

Private Ver- und Entsorger sind sicher nicht als „Wunderheiler“ zu betrachten, sondern sollten gemeinsam mit den Kommunen nach Lösungen suchen, die „machbar“ und wirtschaftlich sind.

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Trink- und Abwassergebühren in Berlin und Umland
Trinkwasser in DM/m² Abwasser in DM/m²
Berlin (Berliner WasserBetriebe)

Havelland (Havelland/Falkensee)

Potsdam (Wasserbetriebe Potsdam)

Potsdam-Mittelmark (Lehnin)

Teltow-Fläming (KMS Komplex Sanierung Mittlerer Süden)

Dahme-Spreewald (Märkischer)

Märkisch Oderland (Strausberg-Erkner)

3,45

3,12

2,35

Trinkwasser-Eigenversorgung

3,60

2,97

1,90

4,85

8,50

3,50

13,50

9,90

6,14

7,95

Vergleichswerte anderer Städte
Hamburg

Frankfurt am Main

Stuttgart

Bielefeld

2,54

3,70

3,15

2,30

4,70

4,45

3,84

3,69

Quelle: Grafik aus Tagesspiegel vom 3. März 1997 (Kraupa)

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